Ein Vortrag von Jean-Marie Woehrling, Vorsitzender des Elsässischen Kulturvereins
Jean-Marie Woehrling, Präsident des Centre Culturel Alsacien, Vorsitzender der René-Schickele-Gesellschaft, Chefredakteur von „Land un Sproch“ und Präsident des Institut du droit local in Straßburg, referierte am 26. Januar auf Einladung des Historischen Vereins Kehl in der Stadthalle vor gut 70 Zuhörern über das Selbstverständnis der Elsässer.
„Der Hans im Schnokeloch“
Woehrling eröffnete seinen Vortrag mit Versen aus dem Volkslied, in dem die Zerrissenheit des Elsass und seiner Bewohner besungen wird. Hans „hat alles, was er will. Und was er hat, das will er nicht. Und was er will, das hat er nicht“. Am Ende hopst der Hans „üs em Fanschter nüs un kunnt ins Nàrrehüs“.
Das Elsass gehörte lange Zeit im Wechsel zwei Staaten an, wurde in zwei verschiedene Herrschaftssysteme gezwungen. Doch diese Zerrissenheit, so Woehrling, müsse heute kein Leid mehr bedeuten. Im Gegenteil, man könne in der Grenzregion von beiden Kulturen profitieren.
Wie sehen sich die Elsässer heute?
Die meisten Elsässer, so Woehrling, sehen sich als Franzosen, „Hurra-Patrioten“. Ihr Wahlverhalten ähnle dem der Franzosen, sie streben keine Unabhängigkeitsbewegung wie auf Korsika an. Doch ihr Verhältnis zu Innerfrankreich sei gespalten. Gehören sie richtig dazu?
Von den Deutschen haben sie den Dialekt, das Fachwerk, das Sauerkraut und die Disziplin. Aber deutsch sein wollen sie nicht. Werden sie auf ihren Akzent angesprochen, fühlen sie sich gedemütigt, sich als Deutsche oder gar als Nazis verdächtigt?
Nicht wenige sehen sich in erster Linie als Elsässer. Sie halten an dem elsässisch-lothringischen Lokalrecht, dem Wahrzeichen der elsässischen Identität, fest und seien für eine stärkere Regionalisierung.
Eine Doppelkultur
Für Woehrling ist Elsässisch eine Doppelkultur, eine Symbiose aus der deutschen und der französischen Kultur. Fällt der Zugang zur einen Kultur weg, fehle etwas.
Leider sei der Verlust der deutschen Kultur im Elsass bereits weit fortgeschritten. Die Kenntnis der deutschen und elsässischen Sprache ginge immer weiter zurück, und mit ihr die Kultur. Weder die elsässische Sprache noch die Geschichte des Elsass würde ausreichend an den Schulen unterrichtet. Es fehle an Personal. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, und die Regionalsprache lebendig zu halten, sei das Elsass auf eine starke regionale Institution und die Hilfe Deutschlands angewiesen.
In der lebhaften Diskussion im Anschluss an den Vortrag fanden viele Thesen und kritische Anmerkungen des Referenten Zustimmung. Der Vereinsvorsitzende Hans-Ulrich Müller-Russell bedankte sich bei Jean-Marie Woehrling mit einem badischen Wein, der Präsident der Rhein-Stiftung Hans-Werner Hilzinger mit dem Buch „Grenzportraits“.