Der Historische Verein Kehl will Kinder und Jugendliche für die Geschichte der Stadt und der Region begeistern. Über die Geschichte findet ein junger Mensch einen emotionalen Bezug zu seiner Umgebung. Damit wächst die Bereitschaft, sich mit der Stadt zu identifizieren und in ihren Institutionen politisch und sozial zu engagieren.
In einer Veranstaltung, zu der auch Lehrerinnen und Lehrer der Grundschulen und weiterführenden Schulen der Kernstadt eingeladen waren, zeigte Jennifer Rottstegge, Rundumkultur, Straßburg, zwei Filme, die in ihrem Workshop mit Schülerinnen und Schülern des Stadtteils Port du Rhin entstanden sind. Im ersten Film bewegen sich Kinder spielerisch vor historischen Ansichten und machen so ihre Mitschülerinnen und Mitschüler mit der Vergangenheit ihres Stadtviertels vertraut. Im zweiten Film wird eine von Kindern erfundene Geschichte erzählt, in der sich ein Matrose in eine reiche Schweizerin verliebt und mit ihr und ihrem Reichtum in Port du Rhin Unternehmen gründet, die so im Viertel tatsächlich existiert und für Arbeit und Lohn der Bewohner gesorgt haben.
Anschließend diskutierten Vorstandsmitglieder des Vereins mit Jennifer Rottstegge darüber, wie sich die Erfahrungen aus ihrem Workshop in ein Projekt „Reise in die Vergangenheit“ einbringen lassen. Der Historische Verein wird sich damit 2024 an den Feiern zum Jubiläum „250 Jahre Stadtrechte“ beteiligen. Das Projekt wird von der Stadt ideell und finanziell gefördert.
Einigkeit bestand unter den Teilnehmern darin, dass Schülerinnen und Schüler der Grundschulen Zielgruppe des Projekts sind. Wie sie am besten zu erreichen sind, über die Schulen, über die Eltern oder unmittelbar dort, wo sich sich gerne aufhalten, blieb offen. Die starke Belastung vieler Lehrerinnen und Lehrer, bedingt durch anhaltenden Lehrermangel, erschwere die Kooperation mit Schulen, äußerten Kehler Teilnehmer.
Eventuell werde die für 2026 zu erwartende Ganztagsbetreuung Freiräume für außerschulische Projekte schaffen. Bis dahin seien Projekttage und Wandertage gute Gelegenheiten, den Schulen Stadtführungen und Workshops anzubieten. Der Verein könne die Schulen mit solchen Angeboten entlasten.
Gut ansprechbar sind Schülerinnen und Schüler nach Einschätzung der Teilnehmer auch beim Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung. Ein Blick in die Geschichte macht die Entwicklung mancher Berufe und ihre Aussichten in der Zukunft besser verständlich. Das Korker Handwerksmuseum enthält gelungene Beispiele.
Bemängelt wurde, dass der Bildungsplan für die Grundschulen den früher im selbstständigen Fach Heimatkunde vermittelten Stoff nur recht abstrakt beschreibt. Hinzu kommt der geringe Bezug auswärtiger Lehrpersonen zum Schulort. Zudem fehlt in der Kehler Kernstadt eine Dauerausstellung zur Stadtgeschichte, in der Kinder und Jugendliche anschaulich in die Grundlagen der Stadtgeschichte eingeführt werden. Manche Ortschaft ist da besser aufgestellt, wie zum Beispiel Kork mit seinem Handwerksmuseum, Goldscheuer mit seinem Heimatmuseum und Auenheim mit seiner Heimatstube.
Die Innenstadt hat einen großen Nachholbedarf. Das habe mit dem geringen Stellenwert der Kultur in der Stadtverwaltung zu tun, merkten Teilnehmer kritisch an. Dank der Digitalisierung in den Geschichtswissenschaften ist eine Ausstellung zur Stadtgeschichte heute aber leichter und billiger zu organisieren. Ein gutes Beispiel ist die Straßburger Ausstellung Le 5e Lieu.
Über die Geschichte bekommt ein Schüler Einblick in fremde Kulturen. Ein Kehler Geschichtsverein muss deshalb die Geschichte der Nachbarstadt Straßburg, des Elsass’ und ganz Frankreichs in seine Projekte einbeziehen. Das Projekt „Reise in die Vergangenheit“ schließt einen Besuch der Straßburger Innenstadt ein.
Ausführlich wurde darüber diskutiert, welche Formate Kindern und Jugendlichen den Weg zur Geschichte erleichtern. Neben Führungen aller Art wurden Theaterspiele, kurze Videos, Wettbewerbe, Schnitzeljagden, Escape Room und Geocaching genannt. Eine Stadtführung könne auch einem Jugendlichen übertragen werden, der seine Mitschülerinnen und Mitschüler vielleicht besser erreiche als ein Erwachsener.
Der Vereinsvorstand will das stadtgeschichtliche Kapitel „Kehl – Stadt der Aufklärung“ mehr als bisher bekannt machen. Es ist lange von der Festungsgeschichte überlagert worden. Dabei zeigt die Geschichte der Kehler Bücherfabrik exemplarisch, wie die Gedanken der Aufklärung zunächst über die französische Revolution und später auch in Deutschland der Demokratie und dem Rechtsstaat mit der Garantie von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit den Boden bereitet haben.